KPIs in MedTech: Effizienz statt Zahlenwüste 

Inhaltsverzeichnis

„Ohne Daten ist man nur eine Person mit einer Meinung“

W. Edwards Deming

Einführung

In Medizintechnik-Unternehmen mit einem Qualitätsmanagementsystem nach ISO 13485 spielen Kennzahlen (Key Performance Indicators, KPIs) eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe wird die Wirksamkeit der Prozesse überwacht und die Einhaltung regulatorischer Anforderungen sichergestellt. Die Norm ISO 13485 fordert, dass Organisationen geeignete Methoden zur Überwachung und Messung der QMS-Prozesse anwenden und bei Nichterreichen der geplanten Ergebnisse Korrekturmaßnahmen ergreifen.

KPIs fungieren hierbei als „Gesundheitscheck“ für Prozesse und ermöglichen es, in Management-Reviews und Audits objektive Nachweise über den Erfüllungsgrad von Zielen zu liefern. Entscheidend ist jedoch, dass Kennzahlen ein Mittel zur Steuerung und Verbesserung sind und keinen Selbstzweck darstellen. Mit anderen Worten: KPIs sollen der Geschäftsführung und den Prozessverantwortlichen dabei helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und Schwachstellen zu identifizieren, statt lediglich Zahlenkolonnen zu produzieren.

Das Qualitätsmanagement (QM) fungiert in diesem Zusammenhang als unterstützende Stabsfunktion: Es liefert der Unternehmensführung Analysen und stößt Optimierungen an, agiert aber nicht losgelöst vom operativen Geschäft. Jeder KPI muss in den Unternehmenskontext eingebettet sein und einen Beitrag zur übergeordneten Steuerung leisten, damit der erhebliche Pflegeaufwand eines KPI-Systems durch Qualitäts- und Effizienzsteigerungen gerechtfertigt ist.

KPIs als Steuerungsgrößen im Prozesscontrolling

KPIs werden oft als „Score Cards“ oder Steuerungsgrößen bezeichnet. Sie sind vergleichbar mit Armaturen im Cockpit, die signalisieren, ob Ihre Prozesse und Ihr Unternehmen auf Kurs sind. KPIs unterstützen das Management bei der Planung, Überwachung und Verbesserung von Abläufen.

Wichtig ist zu verstehen, dass KPIs in ein übergreifendes Führungssystem eingebunden sind und Teil eines Regelkreislaufs bilden.

Das klassische PDCA-Modell (Plan-Do-Check-Act) verdeutlicht diesen Kreislauf: Zunächst werden Ziele geplant, dann werden Maßnahmen umgesetzt. Anschließend werden die Ergebnisse per Kennzahlen überprüft und basierend auf den Erkenntnissen werden Optimierungen eingeleitet. In diesem Zyklus sind KPIs vor allem im Check- und Act-Schritt essenziell. Um Soll-Ist-Abweichungen in Prozessen sichtbar zu machen und effektive Steuerungsimpulse zu geben, braucht es Größen, mit deren Hilfe sich die Güte eines Prozesses messen bzw. quantifizieren lässt. Stets gilt: KPIs entfalten nur dann einen Nutzen, wenn sie zur Steuerung und Entscheidungsfindung verwendet werden. Ein niedriger oder hoher Kennwert allein verbessert noch nichts – erst die Interpretation und das Ableiten von Verbesserungsmaßnahmen machen den Unterschied. Deshalb sollte das Qualitätsmanagement eng mit den Prozessverantwortlichen und der Geschäftsleitung zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass KPI-Ergebnisse verstanden und in sinnvolle Aktionen übersetzt werden. Die Qualitätssicherung läuft dabei nicht als isolierte Instanz nebenher, sondern stellt Daten und Analysen bereit, damit Sie als Verantwortliche fundierte Entscheidungen treffen können. So bleibt das Kennzahlensystem stets ein Mittel zur Unterstützung der Unternehmensführung und gerät nicht zur bürokratischen Übung.

Grundprinzipien beim Aufbau eines KPI-Systems

Beim Aufbau oder der Weiterentwicklung eines KPI-Systems für Ihr Unternehmen sollten einige grundlegende Prinzipien beherzigt werden. Diese Leitlinien helfen Ihnen dabei, sicherzustellen, dass Ihr Kennzahlensystem zielgerichtet und effektiv ist:

  • Klare Zielorientierung: Jeder KPI sollte einen eindeutigen Bezug zu konkreten Unternehmens- oder Prozesszielen haben. Nur wenn eine Kennzahl als Steuerungsinstrument zur Zielerreichung dient, besitzt sie strategische Relevanz. Fragen Sie sich deshalb bei jeder Kennzahl: Welches Ziel wird damit überwacht? Fehlt dieser Bezug, bleibt der Wert eine deskriptive Zahl ohne operativen Nutzen. KPIs sollten direkt aus Ihren wichtigsten Erfolgsfaktoren abgeleitet werden und den Fokus auf das richten, was für Ihren Unternehmenserfolg wirklich zählt.
  • Hohe Datenqualität: Achten Sie auf eine hohe Datenqualität, denn sie ist die Basis Ihrer KPIs. Jede Messgröße muss klar definiert und reproduzierbar erhoben sein. „Garbage in, garbage out“: Schlechte oder lückenhafte Daten führen zwangsläufig zu Fehlinterpretationen und falschen Schlussfolgerungen. Stellen Sie deshalb sicher, dass die Datenquellen gepflegt sind und die Messmethoden standardisiert angewandt werden. Nur valide und genaue Informationen liefern Ihnen ein vertrauenswürdiges Bild. Zögern Sie im Zweifel nicht, in die Verbesserung der Datenerfassung zu investieren, bevor Sie aus Zahlen weitreichende Entscheidungen ableiten.
  • Eindeutige Verantwortlichkeiten: Legen Sie fest, wer für die Erhebung, Überwachung und Auswertung jeder Kennzahl zuständig ist. KPIs entfalten ihre Wirkung nur, wenn klar ist, wer bei negativen Trends Maßnahmen einleitet. Benennen Sie deshalb für jeden KPI einen Verantwortlichen, der die Entwicklung im Auge behält und im Falle von Soll-Abweichungen reagiert. Diese personelle Verankerung fördert auch die Akzeptanz der Kennzahlen im Team, da die Beteiligten wissen, woran sie gemessen werden, und sich proaktiv einbringen können. Außerdem sollte das Management regelmäßig Rückmeldungen zu den Kennzahlen geben, um deren Stellenwert zu unterstreichen.
  • Angemessene Anzahl und Struktur: Weniger ist mehr – konzentrieren Sie sich auf qualitativ hochwertige statt massenhaft viele KPIs. Ein zu komplexes Kennzahlensystem birgt die Gefahr der „Analyse-Paralyse“: Die Flut an Daten lähmt Entscheidungen, anstatt sie zu fördern. Besser ist es, eine überschaubare Anzahl wirklich aussagekräftiger KPIs zu definieren, die Sachverhalte aus unterschiedlichen Perspektiven betrachten (z. B. Qualität, Effizienz, Kundenzufriedenheit, Wirtschaftlichkeit). Diese sollten idealerweise in einem Kennzahlensystem aufeinander abgestimmt sein, damit Sie ein ganzheitliches Bild erhalten und keine isolierten Zahlensilos entstehen. Methoden wie die Balanced Scorecard helfen dabei, eine ausgewogene KPI-Auswahl zu treffen, die verschiedene Zielbereiche des Unternehmens verbindet. Wichtig ist, dass Sie aus jeder Kennzahl ableitbare Handlungen gewinnen – ansonsten können Sie darauf verzichten.
  • Regelmäßige Überprüfung und Anpassung: Ein KPI-System ist kein statisches Gebilde, daher sind regelmäßige Überprüfung und Anpassung wichtig. Überprüfen Sie deshalb regelmäßig, ob Ihre Kennzahlen noch den gewünschten Erkenntnisgewinn bringen. Hinterfragen Sie die KPI-Auswahl in Management-Reviews. Wenn bestimmte Kennzahlen über längere Zeit nicht mehr diskutiert werden oder keinen Mehrwert liefern, scheuen Sie sich nicht, diese zu überarbeiten oder durch bessere Indikatoren zu ersetzen. Gerade in dynamischen Branchen oder bei Unternehmenswachstum müssen KPI-Systeme mitwachsen und sich an veränderte Ziele anpassen. Beachten Sie außerdem, dass harte Kennzahlen oft um weiche Faktoren ergänzt werden müssen, da sich nicht alles, was wichtig ist, in einer Zahl ausdrücken lässt. Der Schlüssel liegt darin, kontinuierlich zu lernen und das KPI-Set so weiterzuentwickeln, dass es Ihre strategischen Stoßrichtungen bestmöglich unterstützt.

Qualitätskriterien für wirksame KPIs

Nicht jede Metrik ist automatisch ein guter KPI. Damit ein Messwert als KPI taugt, muss er bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Im Folgenden finden Sie die wichtigsten Kriterien, die eine Kennzahl erfüllen muss, um im Management wirksam zu sein:

  • Relevanz: Die Kennzahl muss für das Unternehmen bzw. den Prozess bedeutsam sein. Sie sollte einen Aspekt messen, der maßgeblich zum Erfolg oder zur Zielerreichung beiträgt. Strategische Relevanz bedeutet, dass ein KPI nur dann Wirkung entfaltet, wenn er direkt auf eine Priorität abzielt, beispielsweise auf die Verbesserung der Performance, die Einhaltung von Qualitätsstandards, die Patientensicherheit oder die regulatorische Compliance. Ohne diesen Bezug ist die Kennzahl nett zu wissen, aber kein Steuerungsinstrument. Prüfen Sie also, ob ein Indikator wirklich wichtig genug ist, um regelmäßig an die Geschäftsführung berichtet zu werden.
  • Vergleichbarkeit: Ein KPI muss konsistent definiert sein, damit Vergleiche über Zeiträume, verschiedene Abteilungen oder mit Benchmarks möglich sind. Einheitliche Definitionen und Normierungen sind dafür unerlässlich. Nur vergleichbare Kennzahlen erlauben es Ihnen, Trends zu erkennen oder Best Practices abzuleiten. Achten Sie deshalb beispielsweise auf eine Bezugsgröße (Prozent, Rate pro X Einheiten) anstatt auf absolute Zahlen ohne Kontext. Ein Beispiel: Anstatt nur die Anzahl der Fehler zu betrachten, könnte die Fehlerquote pro 1.000 Produktionseinheiten definiert werden – so ist die Metrik über verschiedene Produktionsvolumina hinweg vergleichbar und sinnvoll interpretierbar.
  • Beeinflussbarkeit: Ein KPI sollte durch das Handeln der Verantwortlichen aktiv beeinflussbar sein. Kennzahlen, auf deren Wert das Team keinen Einfluss hat, sind für die Steuerung wenig geeignet, da sie höchstens einen Zustand beschreiben, aber keinen Hebel für Verbesserungen bieten. Fragen Sie sich deshalb: „Können wir durch Maßnahmen diesen Wert verändern?” Wenn nicht, gehört die Zahl eher ins Monitoring (zur Kenntnisnahme), aber nicht ins Führungscockpit. Ein Beispiel: Die Anzahl externer Audits, die eine Behörde pro Jahr durchführt, liegt außerhalb Ihres Einflussbereichs und wäre kein guter KPI für Ihr Unternehmen. Die Fehlerquote in der Produktion hingegen lässt sich durch Schulungen, Prozess-optimierung oder eine bessere Maschinenwartung senken – sie ist also beeinflussbar und somit ein geeigneter KPI, sofern sie relevant ist.
  • Validität: Unter Validität versteht man die Gültigkeit der Messung, d. h., die Kennzahl muss wirklich das messen, was sie zu messen vorgibt. Die gewählte Metrik sollte einen direkten Rückschluss auf den gewünschten Aspekt erlauben. Hinterfragen Sie kritisch, ob der KPI das intendierte Konstrukt erfasst oder ob verfälschende Faktoren eine Rolle spielen. Beispiel: Eine hohe Anzahl abgeschlossener Schulungen pro Mitarbeiter soll möglicherweise die Mitarbeiterqualifikation anzeigen. Doch ist dieser KPI valide? Absolvierte Schulungen sind nur dann ein valider Indikator für Kompetenz, wenn die Schulungsinhalte auch relevant und effektiv waren. Ohne eine inhaltliche Qualitätssicherung misst die Kennzahl „Anzahl Trainings” eher Fleiß als Verständnis. Sie sehen: Ein guter KPI erfordert eine saubere Definition, damit die Zahlen später tatsächlich Aussagen über den gewünschten erfolgskritischen Faktor zulassen.
  • Aktualität: Ein KPI sollte möglichst zeitnah und in sinnvoller Frequenz gemessen werden, damit Sie bei Abweichungen schnell reagieren können. Veraltete Daten verlieren ihren Steuerungswert. Legen Sie deshalb fest, in welchen Intervallen die Kennzahl aktualisiert wird (z. B. monatlich oder quartalsweise) und sorgen Sie für eine zeitnahe Berichterstattung an die Entscheidungsträger. Nur aktuelle KPIs ermöglichen es, frühzeitig Trends zu erkennen, bevor Chancen verpasst oder Risiken realisiert werden.
  • Verständlichkeit und Akzeptanz: Schaffen Sie (ergänzend) Transparenz über Ihre KPIs, um Akzeptanz zu schaffen. Alle Beteiligten – vom Werker bis zur Geschäftsleitung – sollten verstehen, was gemessen wird und warum es relevant ist. Eine Kennzahl, die niemand versteht oder die im Unternehmen auf Ablehnung stößt, wird kaum die gewünschte Steuerungswirkung erzielen. Halten Sie Definitionen und Zielsetzungen schriftlich fest und schulen Sie Ihr Team im Umgang mit den KPIs. Wenn alle die Bedeutung erkennen und den Nutzen akzeptieren, werden KPI-Ergebnisse eher als Motivation zur Verbesserung gesehen, als dass sie als lästige Kontrolle empfunden werden.

Strategische vs. operative KPI-Ebenen im Qualitätsmanagement

KPIs lassen sich auf strategischer und operativer Ebene einsetzen. Strategische KPIs messen die Erreichung langfristiger übergeordneter Ziele der Organisation, während operative KPIs die Leistung konkreter Prozesse und kurzfristiger Ziele abbilden. Im Kontext von ISO 13485 beziehen sich strategische Kennzahlen oft auf die übergeordneten Qualitätsziele des Unternehmens (z. B. Reduktion der Reklamationsrate oder Einhaltung regulatorischer Anforderungen), wohingegen operative Kennzahlen die Effektivität einzelner Qualitätsprozesse im Tagesgeschäft messen (z. B. durchschnittliche CAPA-Bearbeitungszeit).

Strategische KPIs: Sie leiten sich aus der Qualitätspolitik und den Unternehmenszielen ab. Sie dienen dem oberen Management zur Steuerung des Gesamtqualitätserfolgs. Beispiele:

  • Audit-Erfolgsquote (Prozentsatz der Audits ohne schwere Abweichungen – ein Indikator für robuste Compliance),
  • Time-to-Market für neue Produkte (Zeit bis zur Marktzulassung – zeigt die Effizienz von Entwicklung und Zulassung),
  • Kundenbeschwerdequote (Anzahl der Beschwerden pro verkaufte Einheit) – spiegelt die Kundenzufriedenheit und die Produktqualität wider.

Solche Kennzahlen zeigen, ob das QM-System als Ganzes die gewünschten Resultate liefert.

Operative KPIs: Diese Kennzahlen überwachen spezifische Prozesse und Abläufe. Sie sind für Prozessverantwortliche relevant und helfen, Abweichungen im Tagesbetrieb früh zu erkennen. Beispiele:

  • Durchlaufzeit eines CAPA-Prozesses (zeigt die Effizienz der Fehlerbehebung),
  • Anzahl offener Abweichungen in einem Prozess (zeigt an, ob Probleme zeitnah angegangen werden),
  • Prozentsatz termingerecht durchgeführter Wartungen an Produktionsanlagen (überwacht die Anlagenverfügbarkeit).

Solche KPIs ermöglichen ein prozessnahes Eingreifen und eine kontinuierliche Verbesserung im operativen Bereich.

 

Bewertung konkreter KPIs: Eignung und Fallstricke

Um die zuvor gezeigten Prinzipien und Kriterien verständlicher zu machen, möchten wir abschließend einige konkrete KPI-Beispiele aus dem Bereich MedTech betrachten. Für jeden dieser Kennwerte wird erläutert, wie gut er sich zur Prozessbewertung eignet und wo potenzielle Fehlinterpretationen lauern. Denken Sie immer daran: Kennzahlen benötigen Kontext. Ein scheinbar guter oder schlechter Wert erzählt nicht die ganze Geschichte, wenn die Umstände nicht berücksichtigt werden.

  • Reklamationsrate (Complaint Rate): Diese Kennzahl gibt an, wie viele Kundenbeschwerden im Verhältnis zu ausgelieferten Produkten auftreten. Sie ist ein wichtiger Indikator für die Produktqualität und die Kundenzufriedenheit und somit grundsätzlich ein relevanter KPI im Bereich der Medizinprodukte.

Eignung: Eine sinkende Reklamationsrate kann auf eine verbesserte Produktqualität hindeuten, während ein vergleichsweise hoher Wert Handlungsbedarf in den Bereichen Entwicklung, Produktion oder Support signalisiert.

Mögliche Fehlinterpretation: Die Reklamationsrate sollte stets in Relation zur Nutzungsintensität gesehen werden. Wenn Ihr Unternehmen beispielsweise stark wächst und mehr Produkte im Umlauf sind, kann die absolute Zahl der Beschwerden steigen, auch wenn die Quote pro Gerät stabil bleibt. Umgekehrt könnte eine sehr niedrige Reklamationsrate auch bedeuten, dass Probleme von Anwendern gar nicht gemeldet werden (etwa weil der Meldeprozess zu aufwendig ist). Es wäre zudem ein falscher Anreiz, Mitarbeiter danach zu bewerten, wie wenige Beschwerden eingehen, da dies ungewollt dazu führen könnte, dass Probleme vertuscht werden oder Kunden von Beschwerden abgehalten werden. Nutzen Sie diese Kennzahl also mit Bedacht und achten Sie auf ergänzendes Feedback, beispielsweise aus Umfragen zur Kundenzufriedenheit.

  • Interne Audit-Feststellungen: Intern durchgeführte Audits decken Abweichungen und Schwachstellen im Qualitätsmanagement auf. Ein KPI könnte hier die Anzahl der Audit-Feststellungen pro Audit oder pro Jahr sein.

Eignung: Audit-Feststellungen zeigen, inwieweit Ihr QMS die Anforderungen erfüllt. Eine Abnahme der Anzahl schwerwiegender Abweichungen über die Zeit kann auf eine wirkungsvolle Verbesserungsarbeit hindeuten.

Mögliche Fehlinterpretation: Weniger gemeldete Abweichungen sind nicht automatisch ein Zeichen für bessere Qualität – es könnte auch bedeuten, dass weniger genau hingeschaut wurde. Wenn in Ihrem Unternehmen die Kultur vorherrscht, „möglichst keine Fehler zu finden“, um gut dazustehen, bleibt echtes Verbesserungspotenzial ungenutzt. Umgekehrt darf ein Anstieg von festgestellten Abweichungen nicht vorschnell als Verschlechterung gewertet werden. Es kommt auf den Kontext an: Wurden im Audit neue Bereiche geprüft? Wurde die Messlatte höher gelegt? Wurde das Audit-Team geschult, gründlicher zu prüfen? Tatsächlich kann eine Zunahme entdeckter Abweichungen in der Anfangszeit ein gutes Zeichen sein, nämlich dass Ihr Überwachungssystem greift und die Transparenz steigt. Ein Beispiel aus der Praxis: In einem Unternehmen wurde das Meldeverfahren für Qualitätsvorfälle vereinfacht und die Mitarbeiter für dieses Thema sensibilisiert. Im Folgejahr stieg die Zahl der gemeldeten Vorfälle deutlich an. Doch dieser auf den ersten Blick „negativere“ KPI-Wert deutete in Wahrheit auf eine verbesserte Meldekultur hin und half, bislang verborgene Probleme offenzulegen. Dieses Beispiel zeigt, dass eine Verschlechterung einzelner KPI-Werte nicht zwangsläufig einen Rückschritt bedeutet, solange die Hintergründe bekannt sind. Es unterstreicht aber auch, wie wichtig es ist, Kennzahlen immer im Gesamtkontext zu interpretieren.

  • CAPA-Durchlaufzeit: CAPA steht für Corrective and Preventive Action, also Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen, die beispielsweise aus Fehlermeldungen oder Audits abgeleitet werden. Ein gängiger KPI ist hier die durchschnittliche Zeit zur CAPA-Bearbeitung (von der Problemerkennung bis zum Abschluss der Maßnahme).

Eignung: Die Durchlaufzeit spiegelt wider, wie reaktionsfähig Ihr Qualitätsmanagement ist. Kürzere Bearbeitungszeiten deuten darauf hin, dass Probleme zügig analysiert und behoben werden. Das ist in einer regulierten Branche äußerst wichtig.

Mögliche Fehlinterpretation: Eine reine Fokussierung auf schnelle CAPA-Abschlüsse kann jedoch falsche Anreize setzen. Wenn Mitarbeiter nur darauf achten, Deadlines zu erfüllen, könnten Maßnahmen vorschnell „abgeschlossen” werden, ohne die tieferliegenden Ursachen wirklich zu beseitigen. Qualitätsprobleme treten dann womöglich später erneut auf. Achten Sie daher darauf, dass neben der Geschwindigkeit auch die Wirksamkeit der Maßnahmen bewertet wird (z. B. durch Verifikation der Wirksamkeit im CAPA-Prozess). Ein weiterer Kontextaspekt ist, dass ein längerer CAPA-Durchlauf nicht immer schlecht ist, da komplexe, systemische Probleme mitunter mehr Zeit für eine nachhaltige Lösung benötigen. Hier gilt es, den angemessenen Zeitrahmen abzuwägen und ggf. Zwischenziele zu setzen, statt blind auf einen Monatswert zu starren.

  • Fehlerquote in der Produktion (Ausschussrate): Dieser KPI misst den Anteil fehlerhafter Produkte oder Komponenten im Fertigungsprozess.

Eignung: Die Fehler- oder Ausschussrate ist ein zentraler Qualitätsindikator in der Produktion. Eine niedrige Quote bedeutet weniger Nacharbeit und Ausschuss, was für effiziente Prozesse und eine hohe Produktqualität spricht.

Mögliche Fehlinterpretation: Es ist wichtig zu wissen, wie die Quote zustande kommt. Wird der KPI stringent und einheitlich erfasst? Gibt es klare Kriterien, was als Fehler zählt? Ein häufiger Fallstrick ist, dass Mitarbeiter:innen möglicherweise nur „auf die Kennzahl hinarbeiten“ – beispielsweise indem sie fehlerhafte Teile nicht melden, um die Quote scheinbar niedrig zu halten. Eine solche Verzerrung kann auftreten, wenn Fehler melden in der Unternehmenskultur sanktioniert statt als Chance gesehen wird. Schaffen Sie deshalb ein Umfeld, in dem ehrliche Zahlen wichtiger sind als schöne Zahlen. Nur dann liefert die Fehlerquote tatsächlich verlässliche Signale. Zudem sollte die wirtschaftliche Optimalrate berücksichtigt werden: Eine Ausschussrate von 0 % ist zwar ideal, doch der Aufwand und die Kosten, um dies zu erreichen, könnten unverhältnismäßig sein. Hier hilft es, Zielwerte festzulegen, die sowohl Qualität als auch Wirtschaftlichkeit berücksichtigen.

Management Review – Anforderungen und sinnvolle KPI-Berichte

Der Management Review (Managementbewertung) nach ISO 13485 ist der formalisierte Rückblick der obersten Leitung auf das QMS und dessen Leistungsfähigkeit. Hier laufen die Fäden aller KPIs zusammen: Die Norm schreibt vor, dass eine ganze Reihe von Input-Daten regelmäßig von der Führung ausgewertet werden muss, um die Eignung, Angemessenheit und Wirksamkeit des QMS sicherzustellen. Zu den mindestens zwölf vorgeschriebenen Eingaben eines Management Reviews gehören insbesondere:

  • Rückmeldungen, Reklamationen und Meldungen: alle Kundenfeedback-Daten, Beschwerden, Trends aus der Post-Market Surveillance sowie ggf. behördliche Meldungen. Diese zeigen an, wie das Produkt im Feld performt und wo Risiken oder Verbesserungsbedarf bestehen.
  • Auditergebnisse: Erkenntnisse aus internen und externen Audits des QMS. Hier interessieren Anzahl und Schwere von Audit-Findings sowie umgesetzte Korrekturmaßnahmen.
  • Überwachung der Prozesse: Leistungskennzahlen der wichtigsten QMS-Prozesse (KPIs) dürfen nicht fehlen. Das Management sollte pro Kernprozess mindestens eine Kennzahl sehen, um beurteilen zu können, ob die Prozesse im vergangenen Zeitraum die Vorgaben erfüllt haben. Beispielsweise wird berichtet: CAPA-Durchschnittszeit vs. Ziel, Anzahl offene CAPAs, Complaint Rate, Produktions-Ausschussrate, Lieferantenqualität usw. Diese KPI-Trends geben ein objektives Bild der Prozessleistung.
  • Status von Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen: Hier wird auf höherer Ebene betrachtet, ob das CAPA-System wirksam ist – z. B. gab es Trends bei Nichtkonformitäten? Wurden CAPAs aus dem letzten Zeitraum erfolgreich abgeschlossen und haben sie die erhoffte Wirkung gezeigt? Das Management interessiert insbesondere, ob wiederkehrende Probleme im Griff sind oder ob systematische Schwachstellen bestehen.
  • Folgeaktionen früherer Reviews: Maßnahmen, die beim letzten Management Review beschlossen wurden, müssen nachverfolgt werden. Ein KPI dazu ist etwa Erledigungsquote der Vorjahres-Aktionspunkte (in %) – idealerweise 100% oder klare Begründung, falls etwas verschoben wurde.
  • Änderungen, die das QMS beeinflussen könnten: z. B. neue oder geänderte regulatorische Anforderungen, organisatorische Änderungen, neue Produkte/Prozesse, die berücksichtigt werden müssen. Diese stehen zwar nicht als KPI im engeren Sinne da, müssen aber berichtet werden (oft qualitativ).
  • Empfehlungen zur Verbesserung: Alle internen Inputs (Mitarbeitervorschläge, KVP) oder externe Best Practices, die das QMS verbessern könnten, sollen einfließen. Auch hier vermitteln Kennzahlen zu Einreichungen und Umsetzung schnell einen Überblick.

Im Management Review werden diese Inputs diskutiert und von der Führung bewertet. Das Ergebnis sind beschlossene Output-Aktionen, die dokumentiert werden müssen. ISO 13485 schreibt vor, dass folgende Ergebnisse des Reviews mindestens festgehalten werden:

  • Maßnahmen zur Verbesserung des QM-Systems und seiner Prozesse – z. B. Initiativen, um Prozesse effizienter oder regelkonformer zu gestalten, basierend auf den KPI-Trends und unterstützt durch Kennzahlen, die den Fortschritt messen.
  • Maßnahmen zur Produktverbesserung in Bezug auf Sicherheit und Leistungsfähigkeit – etwa Produktänderungen oder zusätzliche Kontrollen, wenn z. B. Reklamationsanalysen Muster ergeben haben.
  • Änderungsbedarf bei Ressourcen – falls aus den Kennzahlen hervorgeht, dass bestimmte Bereiche unter-/überlastet sind oder neue Kompetenzen/Tools nötig sind (z. B. mehr Personal für CAPA-Bearbeitung oder Anschaffung eines Software-Tools für Datenanalyse).
  • Eventuelle Anpassungen der Qualitätsziele oder -politik – falls die bisherigen KPIs zeigen, dass Ziele zu niedrig oder zu ambitioniert gesetzt waren, kann das Management neue Zielmarken oder Strategien festlegen. KPI-Trends über mehrere Jahre sind hierfür besonders aufschlussreich (zeigen, ob sich Qualität verbessert, stagniert oder verschlechtert).

Ein gut vorbereiteter Management Review nutzt anschauliche Darstellungen der KPIs (Grafiken, Trends, Ampelindikatoren) und konzentriert sich auf Ausreißer und negative Trends sowie daraus abzuleitende Entscheidungen. Letztlich soll der Review sicherstellen, dass der Datenkreislauf geschlossen wird: Aus KPI-gestützten Befunden folgen Management-Entscheidungen, die wiederum in Verbesserungsmaßnahmen münden – ganz im Sinne des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (PDCA-Zyklus) der ISO 13485.

(Praxis-Tipp: Bereiten Sie für den Management Review einen Kennzahlen-Scorecard oder ein Dashboard vor, das die wichtigsten KPIs der letzten Periode mit Sollwerten und Vorperioden vergleicht. So erkennt das Management Trends auf einen Blick. Beispielsweise können Sie ihre Daten in Ampelfarben darstellen: Grün = Ziel erreicht, Gelb = im Toleranzbereich, Rot = Handlungsbedarf. Dies erleichtert die Fokussierung im Meeting auf die roten Bereiche.)

Rolle digitaler Tools und Software bei KPI-Erhebung und -Auswertung

Die Erfassung und Auswertung von strategischen und operativen KPIs kann im digitalen Zeitalter erheblich vereinfacht und verbessert werden. Viele Unternehmen kämpfen noch immer mit manuellen Prozessen bei der Datenerhebung und Aufbereitung von Kennzahlen – laut einer Deloitte-Studie geben ~33% der Unternehmen an, dass ihre Controlling-Prozesse mit einem sehr hohen manuellen Aufwand verbunden sind. Dabei bieten moderne digitale Lösungen enorme Vorteile, um den „Datendschungel“ zu lichten:

  • Automatisierte Datenerfassung: Spezialisierte QMS-Software (z. B. Orcanos, MasterControl, Greenlight Guru) kann Qualitätsdaten direkt aus den Prozessdaten extrahieren und protokollieren, um sie anschließend in Echtzeit zu visualisieren und für weitere Analysen zur Verfügung zu stellen. Anstatt KPI-Daten mühsam in Excel-Listen zusammenzutragen, stehen sie in Echtzeit in den jeweiligen Modulen (z.B. Reklamationsmanagement, CAPA-Control, Design-Control, etc.) in einer zentralen Datenbank zur Verfügung. Das reduziert Fehler sowie Aufwand und gewährleistet, dass Sie stets über aktuelle Zahlen verfügen.
  • KPIs frei Haus: In einem digitalen Managementsystem werden viele KPIs bereits mitgeliefert, ohne dass sie extra geplant werden müssen. So lässt die reine Anzahl bestimmter Datenobjekte, wie z.B. CAPAs, Reklamationen oder Defekte bereits Rückschlüsse auf Qualitätskennzahlen zu. Zusammen mit den Zeitpunkten wie z.B. Startdatum, Enddatum und Fälligkeitsdatum sowie den jeweiligen Prozessschritten, die ein Datenobjekt zu durchlaufen hat, lassen sich verschiedenste Aussagen über die Prozessqualität treffen. Auch hier gilt wieder: Je granularer die erfassten Daten und Informationen, desto größer sind die Möglichkeiten für aussagekräftige Analysen.
  • Dashboards und Visualisierung: Moderne BI-Tools (Power BI, Tableau etc.) und integrierte Dashboard-Funktionen von QMS-Plattformen ermöglichen es, KPIs übersichtlich darzustellen. Interaktive Dashboards bieten Drill-Down-Möglichkeiten, um von einer Übersichts-KPI (z. B. Gesamtanzahl offener CAPAs) bis ins Detail (Welche CAPA sind überfällig? In welcher Abteilung treten die meisten auf?) zu navigieren. Dadurch erhalten Teams auf allen Ebenen die benötigte Informationstiefe.
  • Echtzeit-Alarmierung und Benachrichtigungen: Digitale Tools können Warnungen senden und eskalieren, wenn bestimmte KPI-Schwellwerte überschritten werden (z. B. „CAPA älter 30 Tage“ oder „Fehlerquote > x% diese Woche“). So kann proaktiv reagiert werden, bevor ein Problem eskaliert.
  • Standardisierte Berichte auf Knopfdruck: Anstatt den Management Review Bericht manuell zu erstellen, können viele QMS-Systeme per Klick vordefinierte Reports generieren, die alle erforderlichen KPI-Daten (nach ISO 13485-Vorgabe) enthalten. Dies spart Zeit und stellt sicher, dass nichts vergessen wird. Gleichzeitig liefern solche Tools Audit-Trails und Nachweise, um gegenüber Auditoren die lückenlose Durchführung der Reviews zu belegen.
  • Integration und Datenzusammenführung: KPI-Software lässt sich oft mit anderen Systemen koppeln (ERP, LIMS, Produktionssysteme). Dadurch können Qualitätskennzahlen in Zusammenhang mit Produktions- oder Finanzdaten analysiert werden (z. B. Qualitätskosten, Ausschuss vs. Produktionscharge, Lieferantenperformance vs. Lieferverzögerungen). Diese holistische Sicht erkennt Zusammenhänge, die isolierte Betrachtungen nicht zeigen würden.
  • Trendanalyse und Prognose: Moderne Tools bieten analytische Funktionen wie Trendkurven, Statistikauswertungen und teils KI-gestützte Analysen. Damit lassen sich Muster erkennen (Saison-Effekte, schleichende Verschlechterungen) und Vorhersagen treffen – z. B. prognostizieren, wann ein Prozessziel ohne Gegenmaßnahmen verfehlt würde. Solche datengetriebenen Insights ermöglichen es, präventiv statt nur reaktiv zu handeln.

Zusammenfassend unterstützen digitale Tools ein effizienteres KPI-Management: Sie reduzieren den Erhebungsaufwand, erhöhen die Genauigkeit der Daten und machen Kennzahlen durch Visualisierung lebendig. Für Führungskräfte bedeutet das: Weniger Zeit mit Datensammlung verbringen, mehr Zeit für die Analyse und Entscheidungen. So wird Demings Eingangs-Zitat in die Tat umgesetzt – aus Daten werden Erkenntnisse, aus Erkenntnissen werden Verbesserungsaktionen.

Fazit

Kennzahlen-getriebenes Unternehmensmanagement vereint Compliance mit Business Excellence: Es erfüllt nicht nur die Pflicht der Norm ISO 13485, Prozesse zu überwachen, sondern liefert auch greifbaren Nutzen für das Unternehmen. Strategische KPIs verbinden Qualitätsziele mit Unternehmenszielen, während operative KPIs den Pulsschlag der Prozesse fühlbar machen.

Bei richtiger Anwendung bieten Ihnen KPIs klare Einblicke in die Leistungsfähigkeit und Compliance Ihrer Prozesse und unterstützen Sie dabei, fundierte Entscheidungen zu treffen. Denken Sie jedoch immer daran, dass Kennzahlen nur Mittel zum Zweck sind. Ihr eigentliches Ziel besteht darin, Fakten in Entscheidungen zu verwandeln, Verbesserungen anzustoßen und Ihre Organisation auf Kurs zu halten. Der beste Weg, um nachhaltig Erfolg zu sichern, ist ein fokussierter Blick auf wenige, aber aussagekräftige KPIs, kombiniert mit gesundem Menschenverstand und einer offenen Verbesserungskultur. Werden Kennzahlen hingegen zu isoliert betrachtet, können sie ein verzerrtes Bild liefern oder falsche Anreize schaffen. Beugen Sie dem vor, indem Sie Ihre KPIs stets im Kontext interpretieren, qualitativ hinterfragen und als integrierten Bestandteil eines ganzheitlichen Managementsystems verstehen.

Die Einführung guter KPIs mag anfangs Aufwand bedeuten, doch mit der richtigen Auswahl (SMART, relevant) und modernen Tools werden sie zum Steuerungsinstrument, das Wettbewerbsvorteile bringen kann – sei es durch höhere Produktsicherheit, effizientere Abläufe oder zufriedenere Kunden.

Letztlich gilt: Was man nicht misst, kann man nicht gezielt verbessern. KPIs liefern die Messpunkte – und schaffen damit die Grundlage, um das Qualitätsmanagement systematisch weiterzuentwickeln. Nutzen Sie dies, um aus Daten konkrete Taten folgen zu lassen.